Kapitel 4
 

In diesem Moment schoss eine Sternschnuppe durch die Nacht. Atemlos verfolgte ich ihren Weg am Firmament, bevor sie nach einigen Sekunden verlosch. Und als ob dies ein Signal für mich gewesen sei, erwachte ich aus meiner Lethargie. Die Angst vor dem Ungewissen machte sich in mir breit. Ich ahnte, das der Rat mir die wahren Hintergründe meiner "Berufung" verschwiegen hatte. Irgendetwas war da, von dem ich nichts wissen durfte. Nein, ich würde den unbekannten Weg in die Kammer nicht beschreiten, jedenfalls nicht, bevor ich Antworten erhalten hatte. Ich würde einen Weg finden, hier herauszukommen. Niemals würde ich mich wie ein Opfer zur Schlachtbank führen lassen, denn tief in meinem Innern wußte ich jetzt, das der Weg meinen Tod bedeuten würde.
Ich sprang auf und lief die lange, steinerne Wendeltreppe der Burg hinunter, bis ich in die große Halle kam. Es war gut und gerne fünf Stunden her, das mich der Hauptmann der Garde hierher gebracht hatte. Von diesem Ort aus sollte ich die Kammer beschreiten, von diesem Ort meine Reise beginnen. Ohne ein weiteres Wort von ihm schlossen sich die riesigen Tore hinter mir und ich war allein. Ich hatte keine Ahnung, wie es weitergehen würde. Instinktiv hatten mich meine Schritte in den Turm hinaufgeführt, auf dem ich die letzten Stunden verbracht hatte, tief versunken in meine Gedanken.
Zum ersten Mal schien ich die Umgebung um mich herum wirklich wahrzunehmen. Trotz der Kälte in meinem Körper begann ich zu schwitzen. Ich stand in einem Saal mit gigantischen Ausmaßen. Meterhohe, reich verzierte Steinsäulen mit mir unbekannten Symbolen ragten vor mir in die Schwärze der Dunkelheit. Der Boden war mit grauschwarzen Mamorplatten bedeckt, auf denen sich ebenfalls seltsame Zeichen befanden. Und das Merkwürdige war, obwohl nirgendwo eine Lichtquelle zu sein schien, konnte ich alles ganz genau erkennen. Dennoch gelang es mir nicht, ans Ende des Raumes zu blicken. Nach gut fünfzig Metern versank alles im Dunkeln.
Ich atmete tief durch und gelangte mit einigen schnellen Schritten zu der Wand, die mir am nächsten war. Nur jetzt nicht den Mut verlieren, dachte ich und atmete durch. Was hatte ich schon zu verlieren?
Zuerst zögerlich, dann immer bestimmter setzte ich einen Schritt vor den anderen, immer an der Wand entlang, die mir ein trügliches Gefühl von Sicherheit gab. Meine Schritte klangen hohl und dumpf und mehr als einmal war ich versucht, anzuhalten und aufzugeben. Die Angst in mir stieg wieder hoch, schnürte mir den Hals zu. Mir schien, als ob mit jedem Schritt das Unheil näher kam.
Es schienen Stunden vergangen zu sein, als ich endlich am Ende des Raumes angelangt war. Mit großen Augen starrte ich auf das, was sich da vor mir aus der Dunkelheit schälte.
Ich stand vor einem Tor. Größer als alle Tore, die ich in meinem Leben je gesehen hatte, ragte es vor mir empor. Und das Verwunderlichste war, das ich keine Klinke, keinen Griff erkennen konnte, um es zu öffnen. Und ich wußte auch nicht, ob ich das wirklich wollte. Denn mit einem Mal spürte ich wieder diese Ungewissheit in mir. Was würde sich dahinter befinden? War dies der Weg zur Kammer des Vergessens? Wartete gar Whee’Aar, der Allmächtige hinter dieser Tür auf mich, um mir seinen ganzen Zorn über meinen Widerstand und mein Zweifeln entgegenzuschleudern?Doch bevor ich noch einen weiteren Gedanken fassen konnte, schwangen die Torflügel ohne das geringste Geräusch auf. Erschreckt machte ich einen Satz zurück.

 

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