Kapitel 5

Rauch, überall war Rauch. Rote Lichter flackerten hektisch. Der grelle Alarmton der Bordsysteme dröhnte in seinen Ohren. Stöhnend kam Flartok zu sich. Was war geschehen, wo war er und vor allem: Wo kam der ganze Rauch her? Das Atmen fiel ihm schwer. Er hustete. Der Qualm brannte in seinen Augen und seinen Atemwegen. Stöhnend zog Flartok sich an seinem Kommandosessel hoch. Seine Arme schmerzten und von seinem Kopf ging ein bohrender Schmerz aus. Vorsichtig tastete er sich ab. Es schien noch alles dran zu sein. Als er jedoch seine Hand zurückzog, bemerkte er das Blut an seinen Fingern. Egal, Hauptsache, ich lebe noch, dachte er.
Nun fiel ihm alles wieder ein: Sein Schiff war von Asteroidenbrocken getroffen worden und er hatte versucht, den Raumgleiter notzulanden. Seine Crew hatte vorher das Schiff auf seinen Befehl hin mit den Rettungskapseln verlassen.
Nur undeutlich waren die Erinnerungen daran, was danach geschah. Irgendwie war es ihm trotz aufheulender Antriebswerke und dem drohenden Ausfall der Lebenserhaltungssysteme gelungen, sich dem Planeten zu nähern. Immer größer war die Oberfläche auf seinem Schirm geworden. Die Aussenhülle glühte und die Temperaturen im Inneren seines Schiffes stiegen stark an. Flartok kämpfte gegen die Übelkeit und die drohende Ohnmacht an. Dennoch gelang es ihm, die Landesequenz einzuleiten. Nur Sekunden später spürte er noch einen gewaltigen Aufschlag. dann versank seine Umgebung in tiefster Schwärze.
„Ich muss hier raus, bevor alles in die Luft fliegt“. Mit diesem Gedanken bewegte sich Flartok auf den Ausgang der Brücke zu. Irgendwie musste er den Notausstieg erreichen. Mit vor Schmerzen verzogenem Gesicht dachte er daran, das sein Raumgleiter nicht dafür gedacht war, auf Planeten zu landen. Dafür war er viel zu groß. Dennoch hatten die Konstrukteure auch für diesen Fall vorgesorgt. Drei Ebenen unter der Kommandobrücke war eine Luke eingebaut, die es erlaubte, den Gleiter in Falle einer Havarie zu verlassen. Dieser Ausstieg lag zwar gut und gerne 10 Meter über dem Boden, aber darüber wollte sich Flartok erst dann Gedanken machen, wenn er dort angelangt war.
In diesem Moment ließ ihn ein lautes Geräusch herumfahren. Knarrend ruckte es, so das sich Flartok festhalten musste. Er schleppte sich zur Konsole des Schiffsnavigators hin und traute seinen Augen nicht. Das Schiff begann, langsam zu versinken. Dies zeigte jedenfalls der Hauptcomputer an, der trotz aller Beschädigungen noch immer zu funktionieren schien.
Hektisch flackerten Berechnungen über den Bildschirm. Der Gleiter war einfach zu schwer. In diesem Moment fiel ihm etwas anderes auf. Kurz bevor er in Ohnmacht gefallen war, hatte er alle Energie aus den Lebenserhaltungssystemen in den Antrieb umgeleitet. Der Sauerstoffvorrat hatte nur noch für wenige Einheiten gereicht. Eigentlich dürfte er gar nicht mehr atmen können. Er prüfte noch einmal die Anzeigen. Richtig, keine Energiereserven mehr vorhanden. Alle Systeme waren so tot, wie sie nur sein konnten. Wie also kam es, das er immer noch Luft bekam?
Das konnte nur bedeuten, das es bei dem Aufprall zu einem Riss in der Aussenhaut gekommen war, durch den nun atembare Luft eindrang. Flartok wollte in diesen Moment gar nicht wissen, was er da atmete. Hauptsache, ihm blieb so Zeit zu überleben und das Schiff zu verlasen. Er musste nur dieses Leck finden.
„Computer ... Analyse“. Doch das Gerät vor ihm blieb stumm. Und als wollte das Schiff sich rächen für das, was Flartok ihm angetan hatte, erloschen in diesem Moment alle Anzeigen. Übrig blieb nur das beständige Knarren und Zittern, der Boden gab immer mehr nach.

*

Riesige Maschinen standen in langen, tief in die Halle hineinragende Reihen vor mir. Ich schluckte. Dumpf und monoton arbeiteten sie vor sich hin. Weit und breit war niemand zu sehen, der sie wartete oder kontrollierte. Was war das hier? Sollte ich etwa den Raum gefunden haben, der unsere Gemeinschaft, die wie ich nun wusste, tief unter der Planetenoberflache lebte, das Überleben garantierte? Der für die Versorgung mit Licht und Wärme und Sauerstoff zuständig war? Der uns eine Existenz vorgaukelte, die so weit von der Wahrheit entfernt war wie ich in diesem Moment von meinem alten Leben?
Zögernd trat ich einen Schritt vor. Nichts geschah. Ich wagte mich ein wenig weiter vor und berührte einen der Kolosse zaghaft mit meiner Hand. Die Oberfläche fühlte sich warm und pulsierend an. Dennoch hatte dieser Ort nichts Göttliches an sich. Hier würde ich keine Antworten auf meine Fragen erhalten.
Ich wandte mich wieder dem Ausgang zu. Doch bevor ich auch nur einen weiteren Schritt auf ihn zu machen konnte, schlugen die Tore mit einem gewaltigen Donnern zu. Meine Ohren dröhnten. Verzweifelt sprang ich auf die Türen zu und versuchte , einen Mechanismus zu entdecken, der mir den Ausgang wieder öffnete, doch vergebens. Alles Hämmern und Toben nutzte nichts. Ich war gefangen, gefangen in einem Raum voll lebloser Maschinen, die ungerührt ihr Werk fortsetzten. Eine Umkehr war mir verwehrt.
Zögernd drehte ich mich. Mutlosigkeit wollte sich wieder in mir ausbreiten, doch ich kämpfte gegen das Gefühl an. Wenn ich schon hier keine Möglichkeit hatte, herauszukommen, sollte ich wenigstens versuchen, einen anderen Ausgang zu finden.
Ich marschierte los, vorbei an unzähligen brummenden und surrenden Konsolen und Apparaten, deren Sinn und Zweck mir weiterhin verborgen blieb. Stundenlang, so schien es mir zumindest, lief ich nun schon die langen Gänge hinab, als ich merkte, das sich die Geräusch langsam verändert hatten. Was eben noch leise und unterbewusst in mein Gehirn drang, schwoll nun zu einem lauten Brausen an.
Staunend blieb ich stehen. Vor mir war so eine Art Tor. In seinem Innern zuckten weisse Blitze hin und her. Der ganze Boden schien zu vibrieren. Was mich jedoch am meisten erstaunte, das oberhalb des Tores eine Schild angebracht war, auf dem mein Name stand.

*

Seit einer guten Stunde schritt Fartok nun schon die Brücke ab in der Hoffnung, das Leck entdecken. Bislang erfolglos. Dennoch musste es da sein. Fluchend hielt er einen Moment inne. Die Geräusche, die von aussen zu ihm vordrangen waren immer noch da. Sie schienen sie nur verstärkt zu haben. Das Schiff versank immer weiter im Boden und wenn Flartok nicht bald einen Ausweg finden würde, würde er mit untergehen. Sein Blick fiel auf den Aussenschirm. Und obwohl seine Anzeigen längst erloschen waren, schien es Flartok doch so, als würde er ihn höhnisch anblicken.
In diesem Augenblick kam ihm ein Gedanke. Er schlug sich mit seiner Rechten vor die Stirn. Das war die Lösung. Der Weg nach draussen führte durch den Schirm. So irrsinnig und wahnwitzig die Idee auch zu sein schien. Er musste nur eine Möglichkeit finden, ihn zu zerstören. Hektisch blickte er sich um. Er musste eine Waffe finden, die stark genug war, den Schirm zu zerstören. Flartok kramte in seinen Erinnerungen. Soweit er die Daten seiner Ausbildung noch im Kopf hatte, war das Sichtfenster der schwache Punkt in der Konstruktion der Raumgleiter. Zwar waren auch hier gewaltige Kräfte vonnöten, um ihn zu zerstören, aber es bestand zumindest die theoretische Möglichkeit, so herauszukommen.
Die effektivste Variante war, einen Phaser direkt auf den Schirm zu richten und Dauerfeuer zu geben. Allerdings hatte die Sache einen Haken. Die Phaser des Gleiters befanden sich AUSSEN und liessen sich nicht gegen das eigene Schiff richten. Flartok musste also improvisieren.
Er dachte nach. Was an Bord hatte eine ähnlich starke Wirkung wie die Phaser? Wenn doch nur diese Geräusche von aussen endlich verstummen würden. Sie machten ihn noch ganz verrückt, weil sie ihm ständig vor Augen hielten, wie wenig Zeit ihm noch blieb. Könnte er doch nur den Antrieb wieder in Kraft setzen und auf Gegenschub schalten. Das würde ihm zumindest ein wenig mehr Zeit verschaffen.
Flartok erstarrte. Der Antrieb, das war die Lösung. Das Schiff wurde durch ein kompliziertes Verfahren, welches Materie in Antimaterie umwandelte, angetrieben. Ausgelöst wurde diese Reaktion durch Verwendung von Silithiumkristallkernen. Solch ein Kern hatte eine ungeheure Zerstörungskraft. Mehr als einmal war ein Raumschiff in tausend Stücke gerissen worden, weil so ein Kern kollabiert war. Er würde also ganz vorsichtig hantieren müssen und die Chance, diese Explosion zu überleben, war jenseits von Gut und Böse. Aber sterben würde er auf jeden Fall, wenn er nicht etwas unternahm. Also warum nicht die geringe Chance nutzen?
Flartok hastete in die nächste Ebene, wo der Maschinenraum untergebracht war. Den Göttern sei Dank liess sich das Eingangsschott problemlos per Handschaltung öffnen. Dunkel lag der Raum vor ihm, nur der Silithium-Kern pulsierte in schwachem Licht vor sich hin. Rasch zog sich Flartok einen Schutzanzug über, der an einer Seitenwand hing und trat auf den Antriebsgenerator zu. Es dauerte nur wenige Minuten, dann hatte er den Kristall ausgebaut. Zitternd hielt er ihn in seinen Händen. Jetzt musste er nur noch einen Mechanismus bauen, der als Zünder funktionen konnte. Sein Blick fiel auf die Konsolen zu seiner Linken. Mit etwas Glück liessen sich noch einige Bauteile verwenden. Er hatte schliesslich Erfahrung mit dem Bau von Zündern. Auf der Akademie hatte er eine militärische Ausbildung genossen, die seinesgleichen in diesem Quadranten suchte. Schon nach kurzer Zeit galt Flartok als DER Experte für den Bau von neuen Waffen. Die Regierung hatte Grosses mit ihm vor. Er sollte die Abteilung für die Entwicklung neuer Waffensysteme leiten. Eine hochangesehene Position, die allerdings den Nachteil hatte, das er auf einem abgelegenen, geheimen Stützpunkt hätte leben müssen. Jeglicher Kontakt mit Freunden und Familie war strengstens untersagt. Und so hatte er sich schweren Herzens, auch im Hinblick auf seine Frau, die er kurz vorher geheiratet hatte, für eine Karriere als Kommandant eines Raumgleiters entschieden. Seine damaligen Ausbilder waren darüber zutiefst enttäuscht und hatten ihn dies in den kommenden Jahren auch immer wieder spüren lassen. So war es nicht verwunderlich, das er noch immer den Rang eines Commanders innehatte. Eigentlich hätte er längst General sein sollen.
Flartok wischte die Gedanken an seine Vergangenheit beiseite. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, über verpasste Chancen nachzudenken. Nach einer halben Stunde war der Zünder fertig. Er schleppte ihn gemeinsam mit dem Kristall auf die Kommandobrücke und verband beide direkt unterhalb des Schirmes miteinander.
Ihm verblieben ihm exakt 60 Sekunden, um sich in Sicherheit zu bringen. Eine trügerische Sicherheit, denn er wusste genau, wie gewaltig die Explosion sein würde. Doch eine kleine Überlebenschance blieb, wenn es ihm gelang, sich nur weit genug von der Brücke zu entfernen.
Er atmete noch einmal tief durch und aktivierte den Zünder. Dann rannte er, so schnell es seine zerschundenen Knochen zuliessen, durch das Schiff, immer weiter weg von der Kommandozentrale.

 

 

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