Splitter im Herz

Von Oli
 

 

Flammen züngelten am frisch zugelegten Holz, während die Glut von einer leichten Brise angefacht wurde. In der ferne hörten die das Feuer umringenden Wesen das rauschen des Meeres. Seid Tagen schon waren sie gezwungen gewesen etwa zwanzig frekkeuschersprünge vom Ozean entfernt durch flaches aber stark mit tandoret-büschen bewachsenes Gebiet zu traben. Mit leichtem Gepäck, dass sie sich in erbärmlich wirkenden Rucksäcken umgeschnürt hatten und ein paar Handfeuerwaffen, war die kleine Truppe die letzten 3 Tage fast ausschließlich getrabt. Es war wenig gesprochen worden und während der Malzeiten, die aus in Wasser gekochten wurzeln oder roher Beute bestand, hing jeder nur seinen eigenen Gedanken nach. In Regelmäßigen Abständen waren zwei der insgesamt neun Gestalten an das Ufer des Meeres geschickt worden um nach den Anzeichen zu suchen die sie zu ihrem heißersehnten Zielort bringen würde.
Kebra’h starrte ins Feuer und hing seinen Gedanken nach. Sein Rattenkopf war voller beunruhigender aber auch berauschender Bilder. Fremdartige Eindrücke und Gefühle durchströmten sein mutiertes Gehirn.Tan, der neben ihm saß, bemerkte wie seine klauenartigen fünfgliedrigen Hände sich schlossen und wieder öffneten.
“Lass es geschehen und verkrampf dich nicht immer gleich wenn es dich durchfährt! Bis jetzt hast du es ja immer überstanden seit dich diese seltsamen Rauschzustände überkommen... ”
Tan war schon ein wenig betagter als Kebra’h.Sein primitiv wirkender, haarloser Schädel nickte kaum merklich. “Aber es wird doch langsam Zeit,dass wir die Fähre nach “Leth Nar’h” finden, die laut Aussage deiner sagen wir “zwiespältigen Vergangenheit” hier irgendwo stranden soll.” Er räusperte sich.
Kebra’h blickte ihn an, sah aber gleich wieder auf den Boden. Seine “Vergangenheit”, wie Tan sich ausgedrückt hatte, war gleichzeitig( und das wusste Tan ) auch der Grund seiner zwiespältigen Gefühlszustände, die er fürchtete und doch gleichzeitig immer öfter begrüßte. Seine Existenz verdankte er zwei verschiedenen Arten von Wesen. -Taratze und Mensch!

Primaten würden sofort an Geschlechtliche Greueltaten denken, dennoch verhielt es sich bei Kebra’h etwas anders.....

1999,etwa 500 Jahre vorher

Rainer Waan saß neben dem Krankenhausbett und sah auf die Hände seines 18 Jahre alten Sohnes und bemerkte plötzlich, wie sie sich zusammenzogen und wieder öffneten. Schweiß trat auf die Stirn des Jungen und die Geräte an die er angeschlossen war begannen alle Arten von Reaktionen zu zeigen.
Nestor’s Augenlider zeugten von dem erregten Zustand in dem er sich befand. Wild zuckten seine Pupillen unter der dünnen Haut. Er zog die Nase nach oben und seine Oberlippe bildete einen Winkel. Es sah so aus als würde er anfangen wie ein Nagetier an etwas essbarem zu schnuppern.
“Wach auf!” dachte Huanna, “lass mich nicht allein mit dem Grauen, dass wir entdeckt haben!” Nestor’s Freundin sah auf die Uhr:21.44........
“Er bewegt sich”, sagte Rainer.
Der 50-jährige Mathematiker wirkte desillusioniert und vor allem müde. Dass sein Filius diesmal aus der Bewusstlosigkeit erwachen würde, glaubte er nicht. Zu oft hatte der Junge sich schon in den letzten 4 Tagen so gebärdet.

Die Polizei hatte ihn nachts aus dem Bett geklingelt. Huanna hatte auf dem Rücksitz des Streifenwagens gesessen und mit leerem Blick auf ihre Beine gestarrt.
“Herr Waan, wir müssen ihnen leider mitteilen, dass ihr Sohn mit schweren psychischen Schäden in die Städtische Psychiatrie eingeliefert wurde.”
Der Bulle wirkte unprofessionell und seine weibliche Kollegin, die auf dem Beifahrersitz des Opel-Vectra’s saß, hatte den Blick einer wiederkäuenden Kuh.
“ Einzige Zeugin des Vorfalls, der zu diesen Umständen führte, ist die Bekannte ihres Sohnes.”
“Schwere Psychische Störungen?” Rainer beschlich ein beunruhigendes Gefühl. Er gehörte zu den Menschen, die sich immer innerlich bereit für Einrisse in ihr momentan sicher wirkendendes Leben hielten. Dennoch verlor er den Boden unter sich und sein Verstand versuchte sich auf die unliebsame Information des Cop’s einzustellen. Der kurze Blick den Huanna ihm zuwarf, strahlte eine Beklemmung aus, die seine Knie weich werden ließ.
“Ich würde vorschlagen, dass sie sich etwas passendes anziehen und mit uns kommen. Die Zuständige Psychologin und der Arzt warten bereits auf sie.” Der Blick des Bullen der ihn taxierte, ließ ihn an sich selber herabblicken. Das T-Shirt, dass sein Sohn ihm vor zwei Monaten geschenkt hatte, zierte seinen Oberkörper. ”SMELL, WHAT THE ROCK IS COOKING!!”, stand in grossen Buchstaben darauf. Der Amerikanische Prügelsportler THE ROCK war auf der Rückseite abgebildet.
“Warten sie bitte einen Moment”, sagte er und knallte den Beamten die Tür vor der Nase zu. Im Wohnzimmer lief der Fernseher und präsentierte den Videofilm den er eingelegt hatte. Hastig zog er sich einen dickeren Pullover an und warf seine Jogginghose in die Ecke in der seine Carl Barks-Werkausgabe im DD-Tresorschuber lag. Drei Minuten später saß er bereits neben Huanna im Wagen und starrte aus dem Fenster. Ohne Huanna anzuschauen sagte er: ”verdammt, was habt ihr diesmal ausgefressen?”
“Ich hab das Unfassbare immer als deshalb auch nicht erreichbar verstanden.....” Sie ging auf seine Frage gar nicht ein.
“Dinge, von denen man in Comics und Schundromanen ließt, oder von denen man nachts träumt und sich ärgert, dass man sie so schnell vergisst und es einem einfach nicht gelingt, die Wahrheiten die man träumend fassen konnte, in die Welt des Wachseins zu retten......”
“Huanna, ich bitte dich, sag mir was geschehen ist!”
“Wenn einem dann etwas begegnet, dass man gerne in die Welt der Träume verbannen würde um es nicht erfassen zu müssen, wird einem bewusst: Unser Verlangen nach Erkenntnis ist haschen nach Wind......”
Hätte Rainer Huanna nur halb so gut gekannt, wäre er wohl ungehalten geworden. So aber verbiss er sich eine zynischen Kommentar über “Gefundene Wahrheiten”.
“Hör zu Huanna”, er wandte sich der rothaarigen Augenweide zu. “WAS ist passiert?”
“Wir waren zusammen im Odenwald unterwegs. Nestor hatte sich den alten R4 von Dieter ausgeliehen um mal an die frische Luft zu kommen. Ein kleiner Spaziergang sollte die ganze Sache abrunden. IN einem Waldstück trennte der Weg einen Tannen- von einem Birkenhain. Mein Handy begann plötzlich mit einem nicht eingespeichertem Klingelton zu piepen. Ein Blick auf das Display des guten Stücks offenbarte mir einen seltsamen Anblick. Eine Gameboyartige Videosequenz zeigte einen verzerrten Rattenkopf der wie ein abgestochenes Schwein quietschte. Gleichzeitig ertönte aus dem Tannenwäldchen ein leises aber aggressives Summen.”
Rainer atmete tief durch. Die Polizistin drehte sich zu ihm um und lächelte spöttisch.
“Ne kleine Drogenanalyse würde bei ihr auch nicht schaden!”
“Ihren Freidenkeralarm können sie sich schenken, Wachtmeisterin!”, knirschte Rainer und wandte sich an Huanna. “Reden wir später...”
Die weitere Fahrt verlief schweigend.

500 Jahre später


Die hier in diesem Landstrich lebenden Sippen und Kommunenartig zusammengeschlossenen Zweckgemeinschaften (Human ausgedrückt), waren alles andere als feinfühlig Fremden gegenüber. Kebra’h und die Leidensgenossen, die ihn begleiteten gingen jedem Kontakt mit der Bevölkerung aus dem Weg. Kam es dennoch zu Berührungen, endeten diese immer blutig. Fragen konnten nicht beantwortet werden und das überwand nicht gerade die sowieso schon brüchigen Brücken der Verständigung. Gestern war ihnen bei Nas’en Asg eine junge Frau begegnet, die für eine Handvoll Pasta alle neun Genossen sexuell befriedigen wollte. Sie hatte ihnen hinterhergeschrieen und schließlich hatten sich eine Handvoll Männer doch noch ihrer erbarmt...
Kebra’h streckte sich. Trotz seiner leicht gekrümmten Haltung wirkte er stark und gefährlich. Die anderen brachten ihm einen geradezu mystischen Respekt entgegen, obwohl ihre Beziehung zu ihm fast Brüderlich war.
Da war zuerst Tan, sein Mentor und Berater. Er war es gewesen, der ihm zu diesem Unternehmen geraten und auch die anderen Begleiter ermutigt hatte. Er war menschlicher Herkunft und leicht mutiert. Er sah dumm aus und war dennoch schlau. Doch die eigentliche Mutation machte sich dadurch bemerkbar, dass er nie schlafen musste. Darüber mit sich reden lies er jedenfalls nicht.
Dann kam Luss’t’ig, ein Kiffkarawanengeschädigter Naggdar. Die Naggdar waren mutierte menschliche Wesen, die von den Karawanenführern zum Abbau von Kiff immer wieder gerne angeheuert wurden. Da sie als einzige Spezies beim Ernten und sogar beim Konsumieren von Kiff, keine Paranoia und Ängste zeigten. Sie schienen damit bestens klarzukommen, was sich durch ihre Eigenart, sich außergewöhnlich bunt zu kleiden ausdrückte. Luss’t’ig war von drahtiger Natur und sein halbaufschlagender Blick täuschte seine Gegner. Töten konnte er, ohne einen Funken von Gemüt und Gefühl.
Lost Wajh, der “Sanfte”, wie sie ihn alle nannten, war ein Riese. Seine 3 Meter waren durch Jahrelanges hängen in den Vorratslagern der Taratzen entstanden. Seine Mutation bestand aus weichem Gewebe, dass sich den Gegebenheiten der Situation anpasste, wenn auch sehr langsam... Lost Wajh war erst vor wenigen Monden von Psychopartisanen aus den Gewölben, tief unter Berlin, befreit worden und seine Rückbildung würde wohl noch ein paar Monate andauern, was ihn dann auf eine Größe von satten 1 m 69 bringen würde. Auch er galt als Berater Kebra’h’s.
Mc’n Dosch, ein Kriegerischer Geselle, schärfte gerade sein Breitschwert, welches einen Kometensplitter in den Griff eingearbeitet hatte. Das er Nachts mit seinem Schwert redete, störte keinen mehr...
“Wenn ich dich nicht hätte...”, flüsterte er gerade und fügte den geliebten Namen des Zweihänders hinzu: “Nebu’ka’Tneza.....” Eine Träne trat aus seinen Augen.
“So lang....,so lang...”, summte er, und wiegte seinen Schatz. Er war eines Morgens aufgewacht und hatte die wertvolle Waffe aus einem Traum mit in die Wirklichkeit gebracht. Vorher hatte er nur den Kometensplitter besessen, den er Nachts immer auf seiner Brust fest umschlossen hielt. Der Splitter war auf wundersame weise in den Griff eingebettet und summte leise.
Einen Kometensplitter trug auch Ray Co’h, der Südländer in sich . Als Kind hatte er den Kristall am Strand seines Heimatdorfes gefunden. Der strenge Salmiak-Zitrusgeschmack des Fundes verlockte den damals 3-jährigen, immer öfter an selbigen zu lecken. Seine Mutter hatte ihn Bewusstlos im Sand gefunden als die Flut ihm schon sehr nah gekommen war. Dass er den Splitter verschluckt hatte, verschwieg er lange Zeit. Die später offenliegenden Mutationen, die ihn befielen, waren außerordentlich Kleidsam. Eine Art Irokesenschnitt aus reptilähnlicher Haut zierte sein Anmutiges Haupt und sein bis dato sowieso schon ansehnliches Gehänge musste er von diesem Tag an unter einer Lederflickenhose verbergen... Die jungen Mädchen und Frauen im Dorf lernten seine Mutation in den darauf folgenden Monaten sehr zu schätzen. Das Geheimnis seiner neu erworbenen Manneskraft lag allerdings nicht in der Größe seines Schwanzes sondern in seiner Form. Mitgenommen hatte man ihn, um die Königin der Insel Leth Na`r zu bezirzen.
Ernie und Beh’ert waren Zwillinge. Beide behaupteten fest, sie seien eigentlich nur der Traum eines weit in der Vergangenheit träumenden Schizophrenen Eskimos, der wie sie behaupteten “Eingeweiht” war .Der Kometensplitter in ihrem Besitz war einer der größten bearbeiteten Kristalle in ganz Euree. Einer der beiden trug das gute Stück immer in einem Lederhalfter unter seinem Arm. Da die beiden den Splitter selber bearbeiteten, ließen sie keinen anderen an den Kostbaren Stein. Sein Aussehen war nur den beiden Brüdern bekannt,
Dass Jeppe’deia heimlich einen Blick auf den bearbeiteten Kristall erhascht hatte wussten die Zwillinge nicht. Der neunte Mutant im Bunde behielt dieses Pikante Geheimnis auch schön für sich. Er war das Kuckucksei im Nest der Pilgergemeinschaft, die sich immer weiter der Fährstation näherte .Der aus den Bergen stammende Mutant hatte seine Mutation nur als Vorwand vorgegeben als er sich der Gruppe anschloss. Sich wie ein Camälion seiner Umgebung anpassen zu können, hatte ihm schon so manchen Dienst erwiesen, unter anderem den Blick auf den bearbeiteten Kometensplitter. Er würde diesen Trumpf bei Gelegenheit eiskalt servieren...
Eine starke Dezimierung der Gruppe war abzusehen und die Mission, die sie zu erfüllen hatte war Impossible...

Demnächst: Was ist der Preis des Fährmannes?

Was erwartet unsere Helden auf Leth’Nar?

Was summt im Tannenwald?

 

 

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