Sänger´s Interwiew mit Jo Zybell

Zybell

Was reizt Dich daran, an einer Serie wie "Maddrax" mitzuschreiben?

Maott erlebt eine meiner Lieblingsfantasien: Durch leere Straßen gehen. Überall von Efeu und Gestrüpp zugewucherte Häuser, Kolonnen von verrosteten und vermoosten Autos an den Straßenrändern, ausgestorbene Städte... und so weiter.
Dazu kommt: Geschichten entwickeln ist für mich fast synonym mit: Menschen ungewöhnlichen, am besten extremen Situationen ausliefern und gucken, wie sie sich verhalten, und ob sie's überleben. Und Matt muss sich in einer sehr extremen Situation zurechtfinden.

Du und die anderen Autoren, Ihr erschafft für den Leser mit der Serie "Maddrax" eine dunkle, zerstörte Welt. Doch wie würdest Du sie Dir vorstellen, wenn wirklich ein Komet vom Schlage des Christopher-Floyd mit der Erde kollidieren würde?

Wie soll man sich eine Welt schn vorstellen, in der keine Stunde Zeit ist für Musik, Bücher, Bilder, Spiel? Ständig auf der Suche nach Futter, immer auf der Jagd nach Beute, keine Ordnungsstrukturen mehr, nur Überlebenskampf. Kurz: Barbarei, Dschungel, Darwin, und so weiter.

Und wie weit bist Du in "Maddrax" involviert? Schreibst Du lediglich einzelne Romane, oder bist Du auch an der Entwicklung der Serie beteiligt?

Ich beteilige mich an der Entwicklung der Serie, klar. Ich glaub, das machen alle, die mitschreiben.

Falls Du nach Exposés schreiben mußt: Läßt dies Dir als Autor eigentlich noch genügend Handlungsspielraum, oder würdest Du Dir weiter ausgelegte Grenzen wünschen?

Michael hat eine Menge guter Ideen. Vor allem ist er im Genre viel mehr zu Hause als ich. Ich glaube, ich übertreibe nicht, wenn ich sage: Die Expos sind mehr oder weniger Gemeinschaftsproduktion. Handlungsspielraum hab ich genug. Wenn ein Expo bestimmte Figuren oder Handlungen nötig macht, die mir nicht liegen, sag ich, oder sagt Michael: Das könnte ein anderer besser.

Wie lange schreibst Du durchschnittlich an einem Roman? Und was reizt Dich an dieser Arbeit besonders? Die Recherche, das Entwickeln der Story-Grundzüge oder das Schreiben des Romans?

Vierzig bis sechzig Stunden.
Recherche macht Spaß, weil ich sehr neugierig bin. Ständig Dinge lesen, die man noch nicht wusste, ständig dazulernen - das genieß ich. Andererseits ist recherchieren halt auch trockenes Handwerk, und ich muss mich hin und wieder in den Hintern treten. Die ersten Schritte zu einer neuen Geschichte führen mich in der Regel in die Bibliothek. Ich bevorzuge Bücher für Recherchen, möglichst mit vielen Bildern - Bilder inspirieren mich.
Die Story entwickeln ist auch schön. Läuft bei mir am schnellsten. Meistens gehe ich dazu in Kneipen. Musik, Stimmen, Kommen und Gehen - da werd ich ganz ruhig, und die Ideen können eintreten.
Am Schönsten ist natürlich das Schreiben selbst.

Wie sieht denn ein gewöhnlicher Arbeitstag bei Dir aus? Hast Du eine bestimmte Einteilung, oder gehst Du den Tag nach Lust und Laune an?

Zehn, halbelf aufstehen, den Text vom Vortag überarbeiten, Frühstück und Zeitung, gegen zwölf, halbeins an den neuen Text bis etwa ein oder zwei Uhr nachts. Zwischendurch Einkäufe, Haushalt, Joggen und dergleichen und um Mitternacht herum auf ein Pausenbier in die Stammkneipe.

Woher nimmst Du die Ideen für Deine Romane? Setzt Du Dich ins stille Kämmerlein, um darüber zu brüten, oder versuchst Du eher außerhalb der eigenen vier Wände etwas aufzuschnappen, das dann zu einem Konzept heranreift?

Keine Ahnung. Aber vielleicht so: Wenn du Schreiner bist, guckst du dir Türen und Möbel genauer an als andere. Als Zahnarzt achtest du auf die Gebisse der Leute. Als Gärtner siehst du mehr in der Natur, als andere. Und als Schreiber siehst du halt überall Geschichten. Eigentlich fängt es morgens beim Zeitungslesen schon an. Oder nein: Nachts beim Träumen.

Es gibt viele Schriftsteller, die sich auf ein Fachgebiet oder Genre festlegen. Wie sieht das bei Dir aus, wo siehst Du Deine Stärken, wo Deine Schwächen?

Ach - man ist ja ständig in Bewegung im Leben. Mal mag man dies, mal muss man jenes - mir liegt eigentlich vieles. Hauptsache eine schöne Geschichte. An Kinderbüchern werde ich mich aber wahrscheinlich nicht mehr versuchen. An Arztromanen auch nicht.
Früher habe ich übrigens ausschließlich Gedichte geschrieben. Komm ich seit vier Jahren nicht mehr dazu - man muss ja von was leben. Aber irgendwann wieder...

Gibt es eigentlich ein(en) Buch/Roman, von dem Du sagen würdest, das ist bisher mein Bester? Wenn ja, worin unterscheidet er sich für Dich von Deinen anderen Werken?

Auch so eine Frage. Das Cotton-Taschenbuch 'Krieg der Rapper' gefiel mir eigentlich ganz gut (abgesehen vom Titel). In der Maddraxserie finde ich unter meinen Geschichten den Köln-Roman am besten (Bd.12).
Wenn ich meine Geschichten nach Erscheinen als Roman in der Hand halte und lese, denke ich häufig: Donnerschlag, wie hast du das denn hingekriegt!? Wenn ich sie nach ein oder zwei Jahren wieder lese, sage ich meistens: Musst noch ein bisschen was lernen, Junge.

Wie war das eigentlich bei Dir? Warst Du selbst in Deiner Jugend ein Bücher- bzw. Heftroman-Narr? Was hast Du so verschlungen?

Eigentlich weniger. Mein Vater hat Hefte gelesen. Und manchmal habe ich sie mir bei ihm geliehen: Western meistens, manchmal auch Cottons. Was ich als Dreizehn- bis Fünfzehnjähriger allerdings regelmäßig gelesen hab: Perry Rhodan. Ich glaub alle Bände, bis der Andromeda-Zyklus vorbei war. Waren das vierhundert oder fünfhundert? Weiß nicht mehr.

Hast Du so etwas wie eine Top Ten unter Büchern anderer Schriftsteller oder Werke, die Du jederzeit weiterempfehlen würdest?

Wieder so eine Frage. Das wechselt häufiger. Trotzdem gibt es ein paar Bücher, zu denen ich immer wieder greife und die mir persönlich als eine Art Lehrbücher für vernünftiges Schreiben gelten: Bert Brechts Lyrik, vor allem wegen ihrer Nüchternheit und Selbstironie. Kurt Vonnegut (besonders >Schlachthof Nr. 5<), wegen seinem zärtlichen Sarkasmus, und weil er mich in einem und demselben Abschnitt zum Lachen und zum Weinen bringen kann. Ludwig Fests >Rosen für Afrika<, weil es ein ekliges, finsteres Buch von unglaublicher sprachlicher Schönheit ist, und Suzanna Moores 'der Aufschneider', weil ich gern so locker und natürlich schreiben lernen möchte, wie sie es in diesem absolut geilen Krimi fertiggebracht hat.

Hast Du schriftstellerische Vorbilder, von deren Schreibstil oder Erzählweise Du gelernt hast?

Klar: Die Bibel, Kurt Vonnegut, Leonard Cohen (ich weiß, den kennt man als Sänger - für mich ist er ein singender Dichter) und Stephen King. Vielleicht noch Ken Follett.

Gibt es eine Serie (Buch/Heft/TV), an der Du gerne mitschreiben würdest?

Nein.

Vielen Dank für das Interview, Jo!

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