Sänger´s Interview mit Claudia

Was reizt Dich daran, an einer Serie wie "Maddrax" mitzuschreiben?

Der Ruhm, wenn die Serie mit Russell Crowe in der Hauptrolle verfilmt wird... ähem, ok, also die Wahrheit: Ich liebe einfach Endzeitvisionen, ob jetzt Mad Max oder die peinlichen italienischen Barbarenfilme der 80er Jahre. Dieses Szenario gibt einem die Möglichkeit, eine eigene Welt mit neuen Regeln und Gesetzen zu erschaffen. Das ist so, als würde man mit einem weißen Blatt anfangen - alles ist möglich. Und das macht mir einen Riesenspaß.

Du und die anderen Autoren, Ihr erschafft für den Leser mit der Serie "Maddrax" eine dunkle, zerstörte Welt. Doch wie würdest Du sie Dir vorstellen, wenn wirklich ein Komet vom Schlage des Christopher-Floyd mit der Erde kollidieren würde?

Hast du mal "Luzifers Hammer" von Larry Niven und Jerry Pournelle gelesen? Da passiert genau das. Der Roman folgt mehreren Leuten, die versuchen, nach der Katastrophe zu überleben und dabei zum Teil degenerieren oder über sich selbst hinaus wachsen. Ich glaube, dass die Konsequenzen für den Planeten sehr ähnlich aussähen wie in "Maddrax" (abgesehen von den plötzlichen Mutationen, auf die wir später noch eingehen werden): eine neue Eiszeit, Verdunkelung des Himmels, völliges Chaos und das vorübergehende Ende jeder Regierungsform. Sollte die Menschheit das alles überleben, wovon ich als Optimistin mal ausgehe, würden aber schon bald neue Strukturen entstehen, wie auch immer die aussehen würden. Da das Wissen um die vorangegangene Zivilisation jedoch noch existiert, würden sich die meisten neuen Gesellschaftsformen wohl daran orientieren, aber ob sie sich die Demokratie, den Kommunismus, den Faschismus oder ein Königreich aussuchen würden, hängt wohl von den einzelnen Gruppen ab. Das macht ja auch "Maddrax" so interessant, denn in dieser Welt können sich all diese Formen unabhängig voneinander entwickeln, da es keine weitreichenden Kommunikationsmittel mehr gibt. Es wäre in jedem Fall eine spannende Welt, aber leider ohne indische Restaurants und damit nicht für mich geeignet. :-)

Und wie weit bist Du in "Maddrax" involviert? Schreibst Du lediglich einzelne Romane, oder bist Du auch an der Entwicklung der Serie beteiligt?

Die grobe Entwicklung steht bis Band 50, aber MadMike wirft eigentlich seine Ideen locker in die Autorenrunde und sieht, wie sie ankommen. Zu den Amerikabänden habe ich auch schon Vorschläge eingebracht, von denen einige hoffentlich verwendet werden. Ich hab' da so eine Idee zu Washington...

Falls Du nach Exposés schreiben mußt: Läßt dies Dir als Autor eigentlich noch genügend Handlungsspielraum, oder würdest Du Dir weiter ausgelegte Grenzen wünschen?

MadMike kann nach dem ersten Roman, den ich geschrieben habe, wohl ein Lied von meinen Anrufen singen, in denen ich um gaaaannnzzzz kleine Änderungen bat. :-) Er ist eigentlich sehr flexibel, so lange man nicht Matt umlegen will oder die Handlung komplett umwirft. Zu Band 15 stammt die Idee von mir, das Exposé haben wir gemeinsam erstellt. Also ich kann innerhalb so grob gezogener Grenzen sehr gut arbeiten.

Wie lange schreibst Du durchschnittlich an einem Roman? Und was reizt Dich an dieser Arbeit besonders? Die Recherche, das Entwickeln der Story-Grundzüge oder das Schreiben des Romans?

Ungefähr 14 Tage, weniger, wenn ich mich nicht durch neue "X-Files"-Folgen, Conventions oder Interviews ablenken lasse. :-) Alle Aspekte haben ihren Reiz. Für einen Zamorra-Zweiteiler habe ich mich letztens intensiv mit der frühen Besiedlung Australiens beschäftigt und mich dabei gefragt, was eigentlich Autoren vor der Erfindung des Internets gemacht haben. Die Ausarbeitung der Story ist in jedem Fall der kreativste und auch langwierigste Teil, weil man dort häufig erst erkennt, wieviel Potential eine Idee wirklich hat. Das Schreiben ist dann praktisch die Ausformulierung dieses Bergs von Zetteln, die auf meinem Schreibtisch herumfliegen, ist aber auch sehr spannend, weil man manches, das im Kopf toll aussieht, doch noch ändern muss, weil es im Szenenfluss plötzlich nicht mehr funktioniert.

Wie sieht denn ein gewöhnlicher Arbeitstag bei Dir aus? Hast Du eine bestimmte Einteilung, oder gehst Du den Tag nach Lust und Laune an?

Normalerweise fange ich so gegen 11 Uhr morgens mit der Arbeit an und schreibe dann bis in den Abend. Bei verstärktem Sonnenschein und Temperaturen über 25 Grad verringert sich mein Arbeitseifer entsprechend, unter Zeitdruck steigt er. Merke: Panik ist der große Motivator. :-)

Woher nimmst Du die Ideen für Deine Romane? Setzt Du Dich ins stille Kämmerlein, um darüber zu brüten, oder versuchst Du eher außerhalb der eigenen vier Wände etwas aufzuschnappen, das dann zu einem Konzept heranreift?

Ich habe da so einen seltsamen Vertrag mit Blut unterschrieben und seitdem fliegen mir die Ideen förmlich zu. :-) Nee, eigentlich weiß ich das selbst nicht so genau. Manchmal fällt mir etwas ein, wenn ich mich mit Freunden (ja, ich hab welche, ehrlich!) unterhalte oder einkaufen gehe. Ab und zu sehe ich auch etwas, das mich sozusagen inspiriert. Wenn ich das dann ausarbeiten will, setze ich mich erstmal ins Auto und fahre einfach so durch die Gegend. Dann fällt mir meistens was ein. Wenn nicht, nerve ich meinen Freund so lange, bis ihm etwas einfällt. :-)

Es gibt viele Schriftsteller, die sich auf ein Fachgebiet oder Genre festlegen. Wie sieht das bei Dir aus, wo siehst Du Deine Stärken, wo Deine Schwächen?

Ich könnte keinen gradlinigen Liebesroman im Stil von "Alpenleuchten im Bierzelt" schreiben. Spätestens nach fünf Seiten würde ich die Geduld verlieren und einen Zombie mit der Kettensäge durch die Szene stürmen lassen. Meine Stärken liegen, soweit ich das beurteilen kann, im Übernatürlichen oder SF-Bereich.

Gibt es eigentlich ein(en) Buch/Roman, von dem Du sagen würdest, das ist bisher mein Bester? Wenn ja, worin unterscheidet er sich für Dich von Deinen anderen Werken?

Die einhellige Meinung scheint zu sein, dass PZ 660 mein bisher bestes Werk war. Der hat mir auch am meisten Spaß gemacht, weil ich die Gelegenheit hatte, Charaktere, die ich seit langem sehr schätze, an ihre Grenzen zu führen. Das kann man allerdings nur machen, wenn man die Figuren so gut kennt, dass sie sich in einer solchen Extremsituation nicht unnatürlich verhalten. Das würde ich gerne auch mal bei "Maddrax" machen.

Wie war das eigentlich bei Dir? Warst Du selbst in Deiner Jugend ein Bücher- bzw. Heftroman-Narr? Was hast Du so verschlungen?

Mark Brandis, Larry Niven, Jerry Pournelle, Harry Harrison, Isaac Asimov, Larry Brent, Professor Zamorra, sogar vor "Star Trek"-Romanen hatte ich keine Skrupel. Der erste richtige Roman, den ich je gelesen habe, war "Dracula" von Bram Stoker. Da war ich 10; meine Eltern wussten natürlich nichts davon. Hmmm, hat möglicherweise auch bleibende Schäden hinterlassen...

Hast Du so etwas wie eine Top Ten unter Büchern anderer Schriftsteller oder Werke, die Du jederzeit weiterempfehlen würdest?

Gute Frage. Eine Top Ten habe ich nicht, aber weiterempfehlen würde ich (fast) alles von Iain Banks, ob jetzt sogenannter Mainstream oder SF. Die Foundation-Trilogie von Isaac Asimov ist ein absoluter Klassiker, den man gelesen haben sollte, ebenso "Lobgesang auf Leibowitz" von Walter M. Miller jr. S.M. Stirling hat 4 Romane über ein Paralleluniversum geschrieben, in denen die Südafrikaner die Welt erobern (allerdings nur auf englisch erhältlich). Im Krimibereich sind die Inspector Rebus Romane von Ian Rankin toll (ebenfalls leider nur auf englisch erhältlich). Ich bin kein großer Fan von Stephen King, aber Clive Barker ist für mich ein Held. Im Moment lese ich übrigens grad "The Civil War" von Shelby Foote und da das Ding runde 1800 Seiten hat, werde ich damit wohl noch eine Weile beschäftigt sein.

Hast Du schriftstellerische Vorbilder, von deren Schreibstil oder Erzählweise Du gelernt hast?

Erwähnte ich schon Iain Banks? :-) Auch wenn man ihm zurecht vorwirft, sehr verspielt zu sein, ist er für mich eine der größten Entdeckungen, die ich in den letzten Jahren gemacht habe. Es gelingt ihm, mit nur wenigen Worten runde Charaktere zu erschaffen, die eine eigene Persönlichkeit haben. Das bewundere ich. Abgesehen von ihm würde ich die TV-Autoren Joss Whedon (Buffy) und Vince Gilligan (X-Files) nennen - und natürlich den großen David E. Kelley (Ally MacBeal), kurz "Meister" genannt.

Gibt es eine Serie (Buch/Heft/TV), an der Du gerne mitschreiben würdest?

X-Files, Buffy oder diese tolle englische SF-Serie "Blake's 7" aus den 80ern. Kennt zwar kein Mensch hier, war aber großartig!


Vielen Dank für das Interview, Claudia!

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