Ronald M. Hahn

Hahn

Klein-Ronnie wurde 1948 in Wuppertal geboren. Wie für Arbeiterkinder damals üblich, besuchte er 8 Jahre lang eine Volksschule, in der er aber nur Lesen und Schreiben lernte. Seine Freizeit verbrachte er mit Büchern, Heften und Micky Maus. Da seine Eltern ca. 100 (!) Bücher ihr eigen nannten (worüber SF-Fans von heute wahrscheinlich nur grinsen), kam er im Alter von sechs Jahren einerseits mit Jack London und Ernest Hemingway und andererseits mit Heftchenserien wie Billy Jenkins und Tom Prox in Berührung. 1961 fiel ihm ein Leihbuch des SF-Autors Wolf Detlef Rohr in die Hände, das es in sich hatte: Da umkreisten irgendwelche Außerirdische die Erde und teleportierten junge Frauen zu sich hoch, um ihr Volk vor dem Aussterben zu bewahren. Obwohl man nicht sagen kann, dass Rohrs altbackene Schreibe den Knaben umhaute, erweckte die Auswirkung der Teleportation sofort sein Interesse: die irdischen Mädels kamen nämlich pudelnackt in dem UFO an! Sowas interessiert frühreife Zwölfjährige natürlich, und so pirschte er alsbald mit heißen Ohren um den seinem Wohnhaus gegenüberliegenden Kiosk, um in Erfahrung zu bringen, ob es noch mehr von diesem geilen Zeug gab.
Leider zeigte sich, dass die dort in Heftform angebotene SF vorwiegend finstere Visionen einer zukünftigen Welt beschrieben: Zu den ersten SF-Titeln, bei denen er fast nur „Bahnhof“ verstand, gehörten Alexej Turbojews (d.i. K.H. Scheer) WELT OHNE ENDE (1959) und Kurt Mahrs (d.i. Klaus Mahn) AUS DEN TIEFEN DER ERDE (1961) - Nachatomkriegsstories, bei denen sich ihm zwar die Haare sträubten, die ihn aber auch faszinierten. Klein-Ronnie mutierte auf der Stelle vom SF-Leser zum SF-Fan. Fortan gab es in seinem Wohnhaus niemanden, der eifriger für alte Damen einkaufen ging, um ein paar Groschen abzustauben. Diese gab er sofort für Terra- und Utopia-Heftchen aus, die sich bald zu einem ganzen Dutzend stapelten, so dass bald absehbar war, dass seine Sammlung irgendwann einmal (vielleicht im Jahr 2000?), aus hundert Heften bestehen würde.
Von 1963 bis 1966 machte Klein-Ronnie, inzwischen zu Jung-Ronnie mutiert (und schon damals fest entschlossen, irgendwann selbst Bücher zu schreiben) eine Schriftsetzerlehre, denn er glaubte, den Büchern in der Druckbranche näher zu sein. Nach der Lehre fand er die erste Anstellung beim Verlag Sam. Lucas, der aber nur Telefonbücher verlegte.
Nach einem Zwischenspiel als Leadsänger der Rock-Band „The Snobs“ heiratete er 1968 seine Freundin Karin, die er (man glaubt es kaum) ausgerechnet in einer Pommesbude kennengelernt hatte. (Karin schmeißt bei ihm zu Hause nun den ganzen Laden). Nach dem 18-monatigen Wehrdienst, den er an exotischen Orten wie Budel (Niederlande) und Porz-Wahn verbrachte, wagte er sich 1969 an den ersten Roman und schickte ihn an den Leihbuch-Verlag Bewin. Das Bewin-Lektorat war aber dagegen, dass seine Raumfahrer-Heroen russische Namen trugen und lehnten das Werk mit der fadenscheinigen Begründung ab, „der Leser könne sich solche exotische Namen nicht merken.“ (Jung-Ronald jedoch glaubte eher, dass die Ablehnung darauf basierte, dass der Iwan, wie in den Jahren des Kalten Krieges jeder wußte, kleine Kinder fraß und täglich zu Josef Stalin betete. Ob der Roman vielleicht scheißig geschrieben war, hat er sich, wie jeder Anfänger, natürlich nie gefragt).

1971 veröffentlichte der Zauberkreis Verlag seinen ersten Heftroman, dem noch einige andere Schoten folgten. Schließlich wurde er zusammen mit dem Anglistikstudenten und heutigen Fantasy Productions-Chef Werner Fuchs vom Fischer Verlag zum Herausgeber der SF-Reihe „Fischer Orbit“ (1972-1974) berufen, für die er u.a. John Brunners Roman SCHAFE BLICKEN AUF einkaufte, der aber nicht mehr bei Fischer erschien und später an Heyne weitergereicht wurde. 1977 mußte Hahn sich entscheiden: Entweder Schriftsetzerberuf, nebenberufliches Schreiben und Magengeschwür – oder freiberufliche Tätigkeit und kein Magengeschwür. Er zog das letztere vor und machte sich selbständig. Ansonsten hat er von 1970 bis 1982 als Redakteur und Herausgeber für die legendäre Zeitschrift Science Fiction Times geschuftet, die Reihe Ullstein SF (1982-1988) und - ohne namentlich genannt zu werden - anfangs die Reihe Fantasy im Verlag Knaur herausgegeben. Für Knaur hat er Marion Zimmer Bradleys STORMQUEEN und Philip José Farmers "World of Tiers"-Zyklus angekauft. Als der Verlag ihn anknurrte, weil er noch mehr Bradley und Farmer bringen wollte, hat er die Brocken eben hingeworfen. (Wie sich ergab, haben sich gerade die von ihm angekauften Titel später rasend  verkauft).

Hahn hat auch bei den Serien Raumschiff Promet (als I.S. Osten, Astro Verlag), Commander Scott (als Gregory Kern, Bastei Verlag) und Die Terranauten (als Conrad C. Steiner, ebenfalls Bastei) mitgeschrieben, tat sich aber in Sachen fabrikmäßiger Textproduktion mit vorgebenen Figuren und Handlungsrahmen stets schwer, so daß er über kurz oder lang die Lust verlor.

Die erste SF-Serie, die er mit großem Enthusiasmus schreibt, ist T.N.T. SMITH: DER JÄGER DER UNSTERBLICHEN (Blitz Verlag). Hier geht es um die Abenteuer eines Journalisten in den Jahren zwischen 1933 und 1945, eine Gruppe mysteriöser unsterblicher Ex-Fremdenlegionäre, den Besuch Außerirdischer im 19. Jahrhundert und eine Welt des 20. Jahrhunderts, die nicht die unsere ist. T.N.T. SMITH ist auf 12 Bände konzipiert und verbindet SF-Elemente und Historie mit einer abenteuerlichen Handlung. Für Unterhaltungsliteratur völlig neu ist die sexuelle Freizügigkeit der Helden: T.N.T. SMITH und seine Freunde sind Menschen mit allen Fehlern, Schwächen und Bedürfnissen; d.h. in den Romanen wird auch kräftig gepimpert und geblasen.

Hahn hat satirische Krimi-, Abenteuer- und SF-Jugendbücher, SF-Romane für Erwachsene, Kurzgeschichten, Literatur- und Filmlexika, Reportagen und Glossen für Zeitungen, Zeitschriften und den Rundfunk sowie ca. 150 Roman-, Sachbuch- und Filmdrehbuch-Übersetzungen veröffentlicht. Einige seiner Romane und Erzählungen erschienen in Polen, der CSSR, in Ungarn, Holland, Frankreich, Italien, den USA und der UdSSR. Er ist Mitglied des Verbandes deutscher Schriftsteller (VS) und des Übersetzerverbandes (VdÜ) in der IG Medien. Sein privates Interesse gilt dem Schriftsteller Jack London, über den er mehrere Aufsätze verfaßt und dessen Werk er dem deutschen Leser in den Erzählungsbänden "Geschichten aus dem hohen Norden" (Ullstein, 1985), "Geschichten vom Rande der Wirklichkeit" (Ullstein, 1985), "Ein Kapitel schließt" (Ullstein, 1987), "Unter dem Sonnensegel" (Ullstein, 1989), "Der Taucher und die Haie" (Ullstein, 1989) und "Der Feind der Welt" (Bastei, 1983) größtenteils erstmals zugänglich gemacht hat.
 

Ronald M. Hahn wurde sechsmal mit dem Kurd Laßwitz-Preis ausgezeichnet:
 "Auf dem Großen Strom" (1980, beste Kurzgeschichte)

 "Lexikon der Science Fiction-Literatur", (1980, Sonderpreis, mit Hans Joachim Alpers, Werner Fuchs und Wolfgang Jeschke)

 "Ein paar kurze durch die Zensur geschmuggelte Szenen aus den Akten der Freiheit & Abenteuer GmbH" (1981, beste Kurzgeschichte)

 "Reclams SF-Führer" (1983, Sonderpreis, mit Hans Joachim Alpers und Werner Fuchs)

 "Traumjäger" (1985, beste Erzählung, mit Hans Joachim Alpers)

 "Science Fiction: Die illustrierte Enzyklopädie" (1996, beste Übersetzung; Autor: John Clute).

Sänger´s Interwiew mit Ronald M. Hahn

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