Sänger´s Interwiew mit Ronald M. Hahn

1Was reizt Dich daran, an einer Serie wie "Maddrax" mitzuschreiben?

Also, die Kohle ist es bestimmt nicht, denn als Sachbuchautor weiß ich, dass das Schreiben von Belletristik sich überhaupt nicht auszahlt - es sei denn man kommt wie Wolfgang Hohlbein oder (wie ich annehme) Kai Meyer groß raus. Groß rauskommen ist aber nicht mein Ziel, denn diese armen Jungs werden irgendwann von den Medien entdeckt, die sie täglich nerven, so dass an geruhsames Arbeiten nicht mehr zu denken ist. Irgendwann schließen sie auch Millionenverträge ab, und dann geht die Kacke erst richtig los: Dann wird man zu Lesereisen gezwungen und kann keinen Schritt mehr ohne Vermögensberater, literarische Agenten und Rechtsanwälte tun. An "Maddrax" hat mich die Überschaubarkeit des Konzepts interessiert: Anders als bei "Perry Rhodan", bei dem man, wenn man gute Arbeit abliefern will, ein beinharter Fan der Serie sein oder ein sechsbändiges Figuren-, Welten- und Historienlexikon im Kopf haben muss, geht es hier doch recht menschlich zu: Das Universum (= die Erde) ist klein, es gibt keine Sternenreiche, Rassen, kosmischen Verwicklungen usw. Zudem ist die kurze Form des Heftromans die beste Fingerübung für einen Autor wie mich.

Du und die anderen Autoren, Ihr erschafft für den Leser mit der Serie "Maddrax" eine dunkle, zerstörte Welt. Doch wie würdest Du sie Dir vorstellen, wenn wirklich ein Komet vom Schlage des Christopher-Floyd mit der Erde kollidieren würde?

Dazu reicht meine Phantasie leider nicht aus, aber ich könnte mir vorstellen, dass ich vor Entsetzen Pickel kriegen würde, wenn es plötzlich keine Zigaretten und kein Kölsch mehr gäbe.

Und wie weit bist Du in "Maddrax" involviert? Schreibst Du lediglich einzelne Romane, oder bist Du auch an der Entwicklung der Serie beteiligt?

Soweit ich die Sache überblicke, sind alle Autoren an der Entwicklung der Serie beteiligt. Konkret sieht es so aus, dass unser Redakteur Michael Schönenbröcher (übrigens der einzige Redakteur mit Humor, den ich kenne) die Grundkonzeption erstellt. Er verschickt Ideengerüste für die einzelnen Folgen, die die Autoren dann mit dem nötigen “Speck” versehen, d.h. sie erweitern das Ding und bauen es zum Exposé aus, das dann wiederum von Schönenbröcher abgesegnet und allen anderen zur Information zugänglich gemacht wird, damit jeder weiß, was der andere macht. Was natürlich auch dazu dient, zu vermeiden, dass mehrere Leute ein ähnliches Thema beackern.

Falls Du nach Exposés schreiben mußt: Läßt dies Dir als Autor eigentlich noch genügend Handlungsspielraum, oder würdest Du Dir weiter ausgelegte Grenzen wünschen?

Obwohl ich neben meinen Büchern auch ca. 30 Hefte geschrieben habe (was nicht viel ist, wenn man bedenkt, dass meine erste Veröffentlichung 1977 auf den Markt kam), bin ich eigentlich nicht der geborene Heftautor. Ich habe in den siebziger und frühen achtziger Jahren für die Serien “Rauschiff Promet” (Astro), “Commander Scott” (Bastei) und “Die Terranauten” (Bastei) gearbeitet und nach 4-6 Heften immer aufgehört, weil es mir relativ schwer fiel, mit redaktionell vorgegebenen Charakteren zu arbeiten. Dies war besonders bei der SF-Serie “Raumschiff Promet” der Fall, die sich Kurt Brand ausgedacht hat. Brand war dafür bekannt, seinen Figuren ziemlich hirnrissige Namen zu geben, was meine Kreativität und Begeisterungsfähigkeit stark eingeengt und mir den fürs Schreiben nötigen Lustgewinn genommen hat. (Ich möchte den Autor sehen, der nicht sofort in einen ironischen Tonfall verfällt, wenn er über Typen schreiben soll, die “Gul Vop”,“Szer Ekka”, “Pepp Wigo” oder “Ele Veek” heißen). Bei “Maddrax” fühle ich mich nicht eingeengt, weil die Vorgaben nur minimal sind und jeder Autor Themen ablehnen kann, die ihm nicht liegen.

Wie lange schreibst Du durchschnittlich an einem Roman? Und was reizt Dich an dieser Arbeit besonders? Die Recherche, das Entwickeln der Story-Grundzüge oder das Schreiben des Romans?

Wie lange ich an einem Roman schreibe, hängt natürlich davon ab an, wie wie lang er ausfällt. Ich bin nicht gerade bekannt dafür, dass ich dicke Wälzer schreibe. Meine SF-Romane und Jugendbücher liegen umfangmäßig zwischen 130 und 220 Manuskriptseiten, für die ich in der Regel 2 bzw. 3-4 Wochen veranschlage. Die “Maddrax”-Hefte umfassen ca. 120 Seiten und entstehen in 7-10 Tagen. An der Arbeit macht mir generell die Recherche und das “Ausspecken” des Grundexposés Spaß. Aber bei der Recherche muss man als Autor sehr vorsichtig sein: Es kann (wie bei “T.N.T. Smith”) dabei durchaus passieren, dass einen die Sekundärliteratur so fasziniert, dass man die Recherchen ins Uferlose ausdehnt, um auch noch die letzte Kleinigkeit zu verarbeiten - so dass man dann vor lauter Faszination nicht mehr zur eigentlichen Arbeit kommt.

Wie sieht denn ein gewöhnlicher Arbeitstag bei Dir aus? Hast Du eine bestimmte Einteilung, oder gehst Du den Tag nach Lust und Laune an?

Ich schlafe bis ca. 11 Uhr, dann frühstücke ich studiere erst mal die Post inkl. E-Mail. Anschließend geht’s sofort los, und zwar oft bis 20 oder 21 Uhr, wobei ich nur ein 10-Minuten-Päuschen fürs Mittagessen einlege. Als echter Workaholic arbeite ich an 7 Tagen in der Woche. Ich ziehe alle Projekte stur nacheinander durch, d.h. ich arbeite nie an mehreren Dingen gleichzeitig wie mein Freund Rolf Giesen, mit dem ich zusammen unter dem Titel DER MEISTER DER ANGST eine Alfred Hitchcock-Biografie (Droemer Knaur Verlag) verfaßt habe. Giesen, der vorrangig Sachbuchautor ist, schreibt eigentlich immer an 3 Büchern gleichzeitig. Natürlich sitzt kein Autor - auch ich nicht - ständig SCHREIBEND an der Tastatur. Ein Großteil des Arbeitstages geht auch für Recherchen in der Bibliothek (die Wuppertaler Stadtbibliothek ist zum Glück gleich im Nebenhaus) und im Internet sowie für Telefongespräche (nervende Fänz!) und dergleichen drauf.

Woher nimmst Du die Ideen für Deine Romane? Setzt Du Dich ins stille Kämmerlein, um darüber zu brüten, oder versuchst Du eher außerhalb der eigenen vier Wände etwas aufzuschnappen, das dann zu einem Konzept heranreift?

Dies ist komischerweise die Frage, die Autoren am meisten gestellt wird. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht, woher ich Ideen “nehme”. Sie sind einfach da. Stell eine Liste mit 20 willkürlichen Begriffen auf, und ich mache daraus eine Kurzgeschichte. Der kreative Prozeß geht einfach los, wenn ich den Blick auf etwas richte. An Anregungen mangelt es nie. Sie liegen auf der Straße, sie ergeben sich in der Kneipe, sie stehen in der Zeitung, entstehen aus irgendeinem Dummschnack, den jemand von sich gibt. Sie entwickeln sich durch gesellschaftliche Trends und Veränderungen. Bei “Maddrax” kommen sie im Lauf der Handlung, d.h. das Exposé steuert in gewisser Weise die “Geburt” von Ideen. “Das Sein bestimmt das Bewußtsein” (und natürlich umgekehrt). Manchmal schreibt die geographische Lage, in der sich die Figuren bewegen, vor, was sich als nächstes ereignen könnte. Ich würde sogar soweit gehen, dass die “Daten”, die man für ein Exposé gesammelt hat, Einfluß auf den Handlungsverlauf ausüben können.

Es gibt viele Schriftsteller, die sich auf ein Fachgebiet oder Genre festlegen. Wie sieht das bei Dir aus, wo siehst Du Deine Stärken, wo Deine Schwächen?

Ich habe zwar als SF-Autor angefangen, mich aber genremäßig nie festgelegt. Zwar stimmt es, dass ich in der SF-Szene am bekanntesten bin (was sicher damit zu tun hat, dass ich seit 1966 auf Cons anzutreffen bin und viele Leser mich persönlich kennen), aber ich habe viel mehr Sach- und Krimi-Jugendbücher als SF-Romane geschrieben. Meine Bibliografie zählt zwar etwa 120 Titel (zu finden unter SCIENCE-FICTION-UND-FANTASY.DE), aber ich habe bisher nur wenige “echte” Romane geschrieben. Der Grund dafür: Es ist mordsmäßig schwierig, Romane zu schreiben, die Hand und Fuß haben und auf die man seinen Namen setzen kann. Meine Stärke als Autor liegt, glaube ich, hauptsächlich im Dialog und mit gewissen Einschränkungen auch im Bereich der Psychologie bzw. den “weichen” Wissenschaften (mein Freund, der Chemiker Dr. Rainer Thieser, nennt sie “Schwafelfächer”). Völlig ahnungslos bin ich in so ziemlich allen Naturwissenschaften (beim Kopfrechnen angefangen). Ich kann wohl hin und wieder auch ganz gute SF-Kurzgeschichten schreiben (wie diverse Literaturpreise behaupten, die ich bekommen habe). Wenn man Kurzgeschichten schreiben kann, kann man eigentlich auch Hefte schreiben, die ja eigentlich keine Romane, sondern eigentlich Novellen oder “Langgeschichten” sind.

Gibt es eigentlich ein(en) Buch/Roman, von dem Du sagen würdest, das ist bisher mein Bester? Wenn ja, worin unterscheidet er sich für Dich von Deinen anderen Werken?

In dieser Hinsicht sind die meisten Schriftsteller wie Schauspieler: Der beste Roman ist normalerweise immer der, der gerade frisch erschienen ist. Bei mir ist dies aber nicht so, denn ich halte meine SF-Satire SOCIALDEMOKRATEN AUF DEM MONDE (Heyne Verlag) für meinen bisher besten “Roman”, auch wenn er mit knapp 160 Seiten nicht sehr umfangreich ist. Ich halte auch einiges von dem Horror-Roman ALPTRAUMLAND (Blitz Verlag), den ich mit Horst Pukallus zusammen geschrieben habe. Auch der “Raumschiff Promet”-Roman PSYCHOTRANSFER ist nicht ganz ohne, wie diverse Kritiker meinen (und wer bin ich, würde ich ihr Urteil nicht akzeptieren). Sonderfälle sind die “Promet”-Romane IM AUFTRAG DES STERNENKAISERS (Juni 2000) und EXILPLANET OTHAN (August 2000), auch wenn ein völlig humorloser Lektor sie verstümmelt hat. Die SOCIALDEOKRATEN unterscheiden sich von meinen anderen Sachen, weil es mir hier zum ersten Mal gelungen ist, einen ironisch-satirischen Stil von der ersten bis zur letzten Seite durchzuhalten, was mir zuvor nur bei Kurzgeschichten gelungen ist. Lange Satiren zu schreiben ist ungeheuer schwer.

Wie war das eigentlich bei Dir? Warst Du selbst in Deiner Jugend ein Bücher- bzw. Heftroman-Narr? Was hast Du so verschlungen?

Ich habe meine Kindheit mit vorwiegend mit “Micky Maus” und anderen Comics verbracht. Im Alter von sechs Jahren kam ich mit den Abenteurromanen Jack Londons, den Kurzgeschichten Ernest Hemingways sowie mit den Heftserien “Billy Jenkins” und “Tom Prox” in Berührung. 1961 fiel mir ein SF-Leihbuch von Wolf Detlef Rohr in die Hände, in dem Außerirdische die Erde umkreisen und junge Frauen zu Fortpflanzungszwecken in ihr UFO teleportieren. Obwohl Rohrs Schreibe mich nicht gerade umhaute, erweckte dies sofort mein Interesse: die Mädels kamen nämlich pudelnackt in dem UFO an! Sowas interessiert frühreife Buben natürlich, und so pirschte ich bald mit heißen Ohren um den meinem Wohnhaus gegenüberliegenden Kiosk, um in Erfahrung zu bringen, ob es noch mehr von diesem “geilen” Zeug gab. Leider schilderte die dort angebotene Heft-SF vorwiegend finstere Visionen der Zukunf: Zu den ersten SF-Titeln, bei denen ich fast nur “Bahnhof” verstand, gehörten Alexej Turbojews WELT OHNE ENDE (1959) und Kurt Mahrs AUS DEN TIEFEN DER ERDE (1961) - Nachatomkriegsstories, bei denen sich mir zwar die Haare sträubten, die mich aber auch faszinierten. Ich mutierte auf der Stelle vom SF-Leser zum SF-Fan, und fortan gab es in der Nachbarschaft niemanden, der eifriger als ich für alte Damen einkaufen ging, um ein paar Groschen abzustauben, die ich dann sofort für TERRA- und UTOPIA-Hefte ausgab, die 70 Pfennige kosteten. Damals erschien so wenig SF, dass man problemlos alles lesen konnte. Während meiner Schriftsetzerlehre war ich zwar schon fest entschlossen, irgendwann selbst Bücher zu schreiben, aber dann brachte mich die Musik für eine Weile von der SF fort: Ich betätigte mich als Leadsänger der Rock-Band “The Snobs” und entdeckte 1966 das Fandom.

Hast Du so etwas wie eine Top Ten unter Büchern anderer Schriftsteller oder Werke, die Du jederzeit weiterempfehlen würdest?

Der vorbildlichste SF-Roman, den ich kenne (und den ich gern selbst geschrieben hätte), heißt SCHAFE BLICKEN AUF und stammt von dem Briten John Brunner. SF-Autoren, von denen ich viel halte, sind John Brunner, Philip K. Dick, Jack Vance, Otto Basil, Paul Van Herck, Theodore Sturgeon, J.G. Ballard, Robert Silverberg, Alfred Bester, Henry Kuttner sowie im deutschen Sprachraum Thomas Ziegler, Michael Iwoleit, Horst Pukallus und Wolfgang Jeschke. (Es gibt sicher noch eine Reihe anderer exzellenter SF-Schreiber, die ich aber, wie ich zu meiner Schande gestehen muss, noch nicht gelesen habe: Ursula K. LeGuin, Stephen Baxter, Greg Egan, Greg Bear, Gregory Benford etc.) Für gewaltig überschätzt halte ich Stanislaw Lem (für mich der größte Langweiler aller Zeiten), Marion Zimmer Bradley und Isaac Asimov.

Hast Du schriftstellerische Vorbilder, von deren Schreibstil oder Erzählweise Du gelernt hast?

Komischerweise haben mich SF-Autoren eigentlich nicht beeinflußt, obwohl manche Leute mir nachsagen, ich sei ein Epigone Philip José Farmers (den ich auch oft übersetzt habe). Ich habe John Brunner mal für einen schreibtechnischen Einfluß gehalten, aber inzwischen hat sich gezeigt, dass ich mich geirrt habe: In Wahrheit wurde Brunner von John Dos Passos (kein SF-Autor) beeinflußt, und ich (via) Brunner ebenfalls. Stilistisch hat mich Charles Bukowski (auch kein SF-Autor) sehr stark beeinflußt, und zwar in der Hinsicht, dass ich mich nach der Lektüre seiner abgefahrenen Geschichten getraut habe, die Leute in meinen Büchern und Geschichten so reden zu lassen, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist - was z.B. der Lektor des Blitz Verlages überhaupt nicht versteht, so dass er aus einer von mir bewußt als Lumpenprolet angelegten Figur (die dementsprechend denkt und redet) jemanden gemacht, hat, der nun als Bankangestellter mit mittlerer Reife durchgehen könnte. Der flämische SF-Satiriker Paul Van Herck hat mich stilistisch beeinflußt. Aus Jack Londons Buch MARTIN EDEN habe ich gelernt, wie ein Autor empfindet, dessen Werke von den Verlagen permanent abgelehnt werden, und wie er es (u.a.) mit Beharrlichkeit und Marktstudium doch noch schafft.

Gibt es eine Serie (Buch/Heft/TV), an der Du gerne mitschreiben würdest?

Ich bin, wie gesagt, eigentlich kein geborener Serienschreiber. Dies hat aber auch wirtschaftliche Gründe: Zum ersten werden Serienhefte beschissen honoriert (Übersetzungen bringen nicht nur das Doppelte ein, sie erfordern auch weniger “kreativen” Einsatz, da sich ja der Originalautor schon seine Gedanken über die Figuren und den Spannungsbogen etc. gemacht hat). Zum zweiten muss man bei der Serienschreibe ständig auf dem Laufenden sein, d.h. auch die Produkte der Kollegen lesen, was mehr oder weniger unhonorierte Arbeit ist. Das Mörderischste, das ich mir vorstellen kann, wäre es, eine wöchentlich oder zweiwöchentlich erscheinende Serie wie “Professor Zamorra” oder “John Sinclair” allein zu schreiben. Ich wäre nicht für einen Wald voller Affen dazu bereit - nicht mal für Geld! Den ständigen Druck, wöchentlich eine neue Folge abzuliefern, könnte ich nicht aushalten. Außerdem gelten Heftromane als Zeitschriften, und Zeitschriften bringen (im Gegensatz zu Büchern) keinen Peso an Tantiemen ein. Bei “Maddrax” mache ich mit, weil ich dort bei einem halben Dutzend Kollegen und der zweiwöchentlichen Erscheinungsweise nicht unter Druck stehe. Ich schreibe die Serie T.N.T. SMITH, die aber nur auf 12 Taschenbücher angelegt ist, weil sie meinem historischen Interesse entgegenkommt und etwas ist, das - zumindest im deutschen Sprachraum - noch nie da war: eine SF-Serie, die in der Vergangenheit (1933-1945) spielt und in der auch Deutsche als Protagonisten auftreten.


Vielen Dank für das Interview, Ronald!
 

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